Deshalb plädiert die parlamentarische Bürgerinitiative „An der Hand" an das Parlament:
Grundwerte gehören in die Verfassung! Verabschieden Sie ein Recht auf Palliativversorgung und den Schutz vor der Euthanasie im Verfassungsrang.
Weitere Gedanken und Argumente:
Was ist aktive Sterbehilfe?
Aktive Sterbehilfe bedeutet Tötung auf Verlangen, zum Beispiel durch eine Todesspritze, die einen Gesunden wie einen Kranken umbringen würde. Dagegen richtet sich diese Bürgerinitiative.
Euthanasie ist ein historisch-politischer Begriff, der viele heutzutage schockiert, aber nicht falsch ist.
Sterbebegleitung meint die Zuwendung und Versorgung in der letzten Phase des Lebens, während der Organismus selbst seinem natürlichen Ende entgegen geht. An der Hand, nicht durch die Hand eines Menschen, soll man sterben dürfen, sagte Kardinal König. Der Ausbau guter Sterbebegleitung ist eine Forderung dieser Bürgerinitiative.
Diese Bürgerinitiative will den österreichischen Weg untermauern: Ja zu bestmöglicher Palliativmedizin. Ja zu bestmöglicher Sterbebegleitung. Nein zur Tötung auf Verlangen.
Richtet sich die Bürgerinitiative auch gegen einen Behandlungsabbruch, wenn es nichts mehr bringt?
Nein. Eine Behandlung abzulehnen oder abzubrechen, um den natürlichen Lauf der Dinge zuzulassen, ist rechtlich möglich und soll so bleiben. Eine Behandlungspflichtwäre der falsche Weg und steht auch nicht zur Debatte. Ein verfassungsrechtliches Verbot der aktiven Sterbehilfe darf nicht als Behandlungspflicht missverstanden werden.
Will die Bürgerintiative Menschen zum Verlängern des Leidens zwingen?
Ein Betroffener ist in seinem Handeln selbst frei. Als Gesellschaft dürfen wir das Töten aber nicht institutionalisieren, und auch dafür keine Berufsgruppe einteilen. Die Möglichkeit zur Tötung auf Verlangen öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Sie macht Druck auf Betroffene, ihren Lieben nicht mehr zur Last zufallen, gerade wenn die Ressourcen von Zeit und Geld so knapp sind.
Leben ist an sich wertvoll. Auch wenn Gebrechen da sind. Das Leben mit Behinderung ist wertvoll. Auch im Leiden liegt Sinn. Wir müssen Platz haben für das Welke, für den Herbst. Die Entscheidung über Leben und Tod liegt nicht in unserer Hand. Diese Entscheidung zu treffen, wäre eine Verantwortung, die wir nicht auf uns laden können.
Sollen wir nicht den autonomen Willen der Betroffenen respektieren?
Die häufigsten Gründe für das Verlangen einer Tötung sind „sinnloses Leiden" (29% als wichtigsten, 56% als einen von mehreren Gründen) und „Angst vor bzw. Vermeidung von Entwürdigung" (24% als wichtigsten, 46% als einen von mehreren Gründen). Leid laesst sich nicht losgelöst von den menschlichen Umgebungsbedingungen differenzieren und bewerten. Die Aussagen der Betroffenen deuten demnach auf Ängste, Sorgen und Zweifel, die ganz wesentlich von den vorhandenen menschlichen Beziehungen beeinflusst werden. Die Hospizbewegung weiß von dieser Dynamik am aller besten Bescheid.
Kann ich selbst verfügen, dass ich keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte?
Es gibt in Österreich eine rechtlich gültige Patientenverfügung, die viel zu wenig bekannt ist. Sie finden weitere Informationen hier auf help.gv.at.
Aber Achtung: Was man als Gesunder denkt, könnte als Kranker anders sein. Ärzte berichten, dass die meisten Betroffenen dann doch leben wollen.
Welche Erfahrungen haben die Länder gemacht, in denen es die aktive Sterbehilfe gibt?
-> Es bleibt nicht bei terminalen Fällen:
Die Rechtsprechung und Gesetzgebung in den Niederlanden und Belgien führten aber immer weiter von der Sterbephase weg zu todesfernen körperlichen und seelischen Leidenszuständen. Das im Mai 2002 in Belgien in Kraft getretene Gesetz zur Sterbehilfe sieht seelische Qualen als eine eigenständige und hinreichende Bedingung für eine Tötung auf Verlangen vor und eröffnet damit ausdrücklich die Möglichkeit von Euthanasiemaßnahmen an Menschen mit psychischen Leiden. Ein weiterer Schritt in dieser Logik ist dann, wie in den Niederlanden bereits erfolgt, der Schritt hin zur Tötung des Patienten bei Unzumutbarkeit des Leidens für die Umgebung.
-> Es bleibt nicht bei Tötung auf Verlangen:
Eine Studie zur Euthanasie in Holland (2001) hat ergeben,dass 3.100 Menschen ohne Verlangen getötet wurden, weitere 3.200 Menschen ohne Absprache lebensverkürzende Schmerzmittel erhalten haben. Das entspricht ca. 4,5% aller Todesfälle in den Niederlanden. Diese Sterbehilfe ohne Verlangen betrifft zu 45% einwilligungsfähige Patienten. Zur Begründung hierfür wird in den Einzelfällen angegeben, dass dies das Beste für die Patienten gewesen sei und eine Diskussion mehr Schaden als Gutes bewirkt hätte.
-> Von Wunsch auf Tötung bis zur Tötung dauert es nicht lange:
Eine niederländische Studie beschreibt, dass in 13% der Fälle von Tötung auf Verlangen zwischen Wunsch und Todeseintritt weniger als ein Tag liegt, in 35% erfolgt der Tod zw. einem Tag und einer Woche.
Kann sich Österreich leisten, viele Menschen über längere Zeit am Lebensende zu pflegen? Die Babyboomer-Generation wird nun langsam alt!
Angesichts des zunehmenden Anteils alter Menschen in unserer Bevölkerung, der Kostenexplosion im Gesundheitswesen und der durch kleiner werdende Familienknapperen menschlichen Ressourcen, kann sich jeder selbst ausmalen, mit welcher gesellschaftlichen Dynamik die so genannte Autonomie des Einzelnen konfrontiert sein wird. Die jungen Generationen tragen aber eine Schuldigkeit gegenüber der Elterngeneration, die sie hervorgebracht und das Land aufgebaut hat. Die Würde des Menschen verlangt, dass wir alles daran setzen, jeden einzelnen liebevoll und eingebunden in eine soziale Struktur, kompetent und medizinisch bestens versorgt begleiten. So wollen wir ja auch einmal selbst behandelt werden.
Müssen wir unseren Umgang mit dem Sterben überdenken?
Sterben muss zu Lebzeiten gelernt werden: Lernen muss dies der Sterbende, der verzeihen und gehen lassen lernen muss. Aber auch die Familie und das Umfeld müssen lernen, hinschauen und dasein zu können und die Hand des Sterbenden halten zu können. Pfleger und Ärzte müssen lernen, wie ein Sterbender medizinisch und menschlich am besten betreut wird. Auch der feinfühlige Umgang mit der Familie des Sterbenden muss erlernt werden.
Wenn es um das Sterben geht, werden wir alle plötzlich sehr unsicher. Man will nicht mehr hinsehen, man hält es nicht aus. Man will abschließen, damit es vorbei ist. Aber vielleicht ist der Sterbende gerade im letzten Abschiednehmen, in einem Gespräch mit Gott... Je näher der Tod kommt, desto mehr ist uns der Mensch aus der Hand genommen.
Statistiken und Textbausteine aus: Christian Spaemann, in Imago Hominis, Heft 17, Band 2. Download als pdf.