Argumente der Kritiker
... eines verfassungsrechtlichen Schutzes gegen Tötung auf Verlangen und unsere Erwiderung:
"Ein verfassungsrechtliches Verbot könnte die Patientenverfügung aushebeln oder eine Behandlungspflicht schaffen."
Das stimmt nicht. Eine aktive Handlung – nämlich ein Tötung auf Verlangen - ist etwas ganz anderes als jemanden an seinem Gebrechen sterben lassen.
Sowohl der Text der Bestimmung als auch die erläuternden Materialien zum Gesetz sollen festhalten, dass an der Patientenverfügung nicht gerüttelt und auch keine Behandlungspflicht eingeführt wird.
"Jede Generation soll selbst entscheiden. Ein Verfassungsgesetz gibt zu viel vor."
Wer diese Entscheidung trifft, entscheidet nicht über sich selbst, sondern über die jeweils ältere Generation. Die nächste Generation würde also über uns bestimmen.
Es gibt manchmal Mehrheiten für Dinge, die negative Auswirkungen haben. Bei der Euthanasie sind dies z.B. die große Missbrauchsanfälligkeit und der Druck, den eine Liberalisierung auf sterbende Menschen erzeugen würde. Wenn wir so etwas kommen sehen, müssen wir es zu verhindern versuchen.
"Die Verfassung soll von 'ideologischen Duftmarken' (Prof. Kopetzki) frei bleiben."
Den österreichischen Konsens für Palliativmedizin und gegen Tötung auf Verlangen, als „ideologische Duftmarke" zu bezeichnen, ist insbesondere im Anbetracht der Geschichte Österreichs inakzeptabel.
Aber kann man fordern, dass eine Verfassung frei von einem Menschenbild sein soll? Das ist jedenfalls unmöglich.
"Wir haben einen Konsens, die Verfassung zu säubern und nicht mehr so viele Verfassungsbestimmungen zu machen. Also bitte nicht wieder eine Verfassungsbestimmung!"
Kosmetische Überlegungen stehen dringenden Anliegen nach. Fragen über Leben und Tod gehenvor.
"Der Wille des Menschen muss Vorrang haben."
Der Wille des Menschen ist nie autonom. Er ist immer kontext-abhängig. "In der überwiegenden Mehrheit der Fälle heißt 'Ich will nicht mehr leben' nur 'Ich will so nicht mehr leben'. Mit guter Palliativbetreuung schwindet der Wunsch ,nicht mehr leben' zu wollen." (Dr. Athe Grafinger, Internistin und Palliativmedizinerin, 26. Mai 2014, Die Presse).
"Man muss jene Fälle überdenken, in denen 'ein unermessliches menschliches Leidenvorliegt.'" (Druml)
Ein Gesetz macht man nicht für Ausnahmefälle. Öffnet man die Tür nur einen kleinen Spaltbreit, bricht der Damm ein. Dann besteht die große Gefahr des Missbrauchs und des Drucks, sterben wollen zu müssen.
Für besonders schwere Fälle und Verzweiflungstaten sieht das Strafrecht außerdem die Regelung des Notstands vor.
"Es gibt keinen Bedarf, die Verfassung zu ändern."
Die Rechtssprechung des EGMR hat sich fragwürdig entwickelt. Geprüft wird nicht, ob ein Gesetz menschenrechtskonform ist, sondern immer nur ob ein Beschwerdeführer gegen das Verbot recht hat. Somit wird der Schutz des Artikels 2 der EMRK immer mehr ausgehöhlt. Was in anderen EU - Ländern bereits akzeptierte Praxis ist, steht in Österreich vor der Tür. Es besteht also sehr wohl Bedarf, einen festen Damm zu bauen.